Ein Firmenchef reagiert wie folgt mein Angebot für ein „Coaching mit Theater“: „Wir haben hier sowieso schon den ganzen Tag Theater! Beim Teamcoaching brauchen wir das definitiv nicht auch noch!“ Meine Antwort darauf lautete: „Wenn es ohnehin schon da ist, können wir es doch einfach auf die Bühne bringen und ins rechte Licht rücken!“
Warum sollte man Theater im Coaching einsetzen? Welchen Mehrwert bringt es?
Eine ganze Menge! Theater spiegelt die Realität wider und ermöglicht eine freie Behandlung dieser Realität. Alles, was möglich und unmöglich ist, kann im Theater erlebt werden. Die tatsächlichen Beziehungen zwischen den Gruppenmitgliedern werden geschützt, indem die Rollen klar definiert sind. Jede*r kann etwas von sich preisgeben, bleibt aber durch seine Rolle geschützt. Die individuelle Interpretation einer Rolle kann viel über die eigene Persönlichkeit offenbaren, auch wenn dies vielleicht nicht in Worte gefasst werden kann. Die Persönlichkeit bleibt dennoch wahrnehmbar. Die Person verbirgt und zeigt sich gleichzeitig.
Im Theater kann die Realität übertrieben, umgestaltet, wiederholt, reduziert, interpretiert und nach Belieben verändert werden. Diese vielfältigen Möglichkeiten erweitern den Horizont einer/-s jeden Einzelnen. Es eröffnen sich neue Perspektiven und Sichtweisen. Eine Gruppe von Individuen kann zu einer Einheit werden. Da die Rollen auch beliebig getauscht werden können, wird beispielsweise das „Zoning“ im Theater zu einem unvergesslichen Erlebnis. Das Theater ist ein starkes Kommunikationsmittel. Der Mensch wird mit seinem gesamten Körper, seiner Stimme, Mimik, Energie, Atmung und Emotionen einbezogen. Es können verschiedene Körperhaltungen, Stimmen, Energien und Emotionen ausprobiert werden, um die Botschaften, die man sendet, zu verändern.
Das Theater kann, ähnlich wie das Coaching, mit Metaphern arbeiten. Dadurch können möglicherweise schwierigere Inhalte leichter vermittelt und vom Publikum betrachtet werden. Da die Metapher zunächst umgedeutet, neu interpretiert und nach Parallelen gesucht werden muss, entsteht das Bild erst nach und nach. Die Zuschauer*innen haben mehr Zeit, die Erkenntnisse zu verarbeiten. Zudem bietet die Distanz zwischen Metapher und Realität einen Schutz und hilft dabei, schwierige Botschaften zu akzeptieren.
Im „Theater der Unterdrückten“ von Augusto Boal (geb. 1931 in Brasilien, Schriftsteller, Dramatiker, Regisseur) können schwierige Situationen dargestellt und mit verschiedenen Enden versehen werden. Welches Ende erscheint gerecht? Wie sähe die Situation aus, wenn wir einen Zauberstab einsetzen würden? Wie würden alle Teilnehmer*innen ein solches Ende erleben? Dieser Ansatz wird in vielen Ländern verwendet, um politische Entscheidungen zu treffen oder um Kulturen oder Religionen einander näherzubringen. Hier liegt der Fokus bewusst auf der Zukunft und einer Lösung, ähnlich wie beim Coaching.
Theater und Coaching ergänzen sich perfekt. Beide Welten sind bereits bunt, vielfältig, vielseitig und multidimensional!
Dieser Artikel soll dazu ermutigen, spielerisch und in einem geschützten, wohlwollenden Rahmen das zu betrachten, was ohnehin schon vorhanden ist. Sie geben Ihren Mitarbeiter*innen und Teammitgliedern die Möglichkeit, sich besser kennenzulernen, Vertrauen aufzubauen, Konflikte zu lösen und vor allem reibungsloser zusammenzuarbeiten.